Demenz, Wertschätzung

Was nicht passt, wird passend gemacht

Letzte Woche fand im Rahmen des Herzraumtreffens wieder der Austausch
Angehöriger von Menschen mit Demenz statt.

Es sind die Ängste, die gehört werden.

Es sind aber auch humorvolle Begebenheiten, die hier ihren Raum finden.

Hauptsächlich ist es die Suche nach dem Verstehen wie wir mit der Demenz der
Mutter, des Vaters, des Partners oder einem anderen An -oder Zugehörigen
umgehen können.

Wenn sich der Mensch, so wie ich ihn einmal gekannt habe, langsam
verabschiedet.

Wie gehe ich mit diesem Gefühl um?

Wir bleiben unser ganzes Leben das Kind unserer Eltern, egal wie alt wir
selbst werden.

Wir vertrauen, wir lernen und wenn alles gut läuft, können wir uns
angenommen und geliebt fühlen.

Und manchmal läuft es eben nicht so gut. Unsere Eltern begegnen uns aus
ihrer eigenen Geschichte heraus und auch die muss nicht zwangsläufig eine
Positive sein.

Im Laufe unseres Lebens verändert sich unsere Beziehung zu unseren Eltern
und wohin sie sich entwickelt, hängt zu einem großen Teil davon ab wie bereit
wir zum Verstehen und Vergeben sind.

So manches bleibt ein Leben lang unausgesprochen. Vielleicht auch deshalb,
weil die Generation unserer Eltern nicht gelernt hat über die eigenen Gefühle
zu sprechen.

Welche Ungerechtigkeit, wenn ich selbst zum Aufarbeiten bereit bin und meine
Mutter oder mein Vater sich in die eigene Welt der Demenz zurückzieht.

Aus meiner Beobachtung heraus kommen beim Menschen mit Demenz viele
Emotionen aus der Kindheit hoch. Unverarbeitetes, Unausgesprochenes, ein Leben
lang Verschlossenes. Wohin sollen nun diese Emotionen?

Ich glaube wir sind ursprünglich dazu geboren, m glücklich zu sein. Als
Kinder sollten wir unbekümmert spielen können und uns zu jeder Zeit spielerisch
entwickeln können.

Wie sagt es Gerald Hüther in seinen Vorträgen „wir werden bereits als Kinder so oft durch Maßnahmen VERwickelt, dass es unglaublich schwer ist sich danach zu ENTwickeln.“

Die Generation unserer Eltern hatte da vermutlich ihre ganz eigenen Probleme. Krieg und/oder Nachkriegszeit ist für uns nicht mehr relevant, unsere Eltern sind jedoch zum Teil in dieser Zeit geboren.

Wie konnten sie sich unbekümmert und spielerisch entfalten?

In welchem teilweise starrem Korsett haben sie ihre Kindheit und Jugend verbracht?

Manchmal scheint mir Demenz so etwas wie ein Ausbruchsversuch aus diesem Korsett zu sein.

Natürlich sucht sich niemand aus Dement zu werden, bei meiner Arbeit gewinne ich immer wieder den Eindruck, als würde sich der Mensch der Zeit seines Lebens funktionieren musste, nun endlich befreien.

Befreien von Regeln, Mustern und Einschränkungen.

Beim letzten, bereits angesprochenen, Herzraumtreffen des Hauses St. Katharina wurde auch die Nahrungsaufnahme thematisiert.

Angehörige und Verantwortliche im Pflegebereich stellen sich dieselben Fragen: Wie kann es z.B. gelingen, Menschen mit Demenz, die keinen festgelegten Essgewohnheiten haben, ausreichend und trotzdem selbstbestimmt zu ernähren?

Braucht es überhaupt festgelegte Mahlzeiten?

Wann beginnen wir damit unseren Kindern abzugewöhnen, dass sie ausschließlich dann essen, wenn sie Hunger haben?

Zugegeben, wollen wir in einer Gemeinschaft leben, brauchen wir Regeln. Rituale gehören zu unserem Verständnis vom gemeinsamen Leben einfach dazu.

In fast jeder Kindergartengruppe gibt es mindestens 1 Kind, dass nie dann essen möchte, wenn alle anderen ihre Mahlzeit einnehmen. 

Ich möchte hier keineswegs Menschen mit Demenz als Kleinkinder darstellen. Was aber geschieht mit kleinen Kindern, die sich nicht einordnen lassen?

Was erwartet Kinder spätestens bei ihrem Eintritt in die Schule, wenn sie sich ständig bewegen müssen?

Welchen Umgang erfahren Kinder, die in ihrer eigenen Welt zu leben scheinen und sich nicht anpassen?

Was nicht passt, wird passend gemacht

Haben wir nicht die Möglichkeit auf die Bedürfnisse von Menschen, die nicht normgerecht scheinen einzugehen oder wollen wir es nicht?

Ist es vielleicht unsere eigene Angst vor dem ANDERS SEIN?

Wenn wir als Eltern Kinder haben, die nicht in unser Schulsystem passen, fühlen wir uns schuldig. So als hätten wir versagt unsere Kinder richtig zu erziehen.

Wenn ein uns nahestehender Mensch mit Demenz nicht den Normen entspricht, fühlen wir uns dann nicht ebenso schuldig?

Sind wir dafür verantwortlich?

Viele Menschen sprechen davon, dass sich unser System im Wandel befindet. 

Wir werden uns entscheiden müssen, wie wir in Zukunft miteinander umgehen wollen.

Welche Wertschätzung wir uns gegenseitig entgegenbringen und mit welcher Wertschätzung wir Menschen behandeln, die nicht in Schubladen und Muster passen.

Wollen wir auch in Zukunft alles was nicht passt, passend machen?

Oder wollen wir lernen zu verstehen.

Lernen den anderen mit unserem Herzen anstatt nur mit unserem Intellekt wahrzunehmen.

Es ist eine spannende Zeit und wenn sich unser System tatsächlich im Wandel befindet dann liegt es an uns diese Veränderung positiv zu gestalten.

„Jede Veränderung beginnt mit dem ersten Impuls“

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